Selbstschutz ist politisch – Warum queere Sicherheit kein Luxus ist
🏳️🌈 Selbstschutz ist politisch
Juni ist Pride Month. Regenbogenfahnen wehen, Firmen posten Statements, viele zeigen Haltung. Das ist gut - aber es reicht nicht.
Denn während Sichtbarkeit gefeiert wird, ist sie für viele queere Menschen immer noch gefährlich.
Wer sichtbar queer ist, wird öfter beleidigt, bedrängt oder angegriffen. Auf der Straße, in der Bahn, im Club - manchmal auch im eigenen Freundeskreis oder in der Familie. Diese Gewalt ist kein Einzelfall. Sie ist strukturell. Und sie trifft nicht alle gleich.
Warum Selbstschutz?
Weil wir uns nicht darauf verlassen können, dass andere uns schützen.
Weil Polizei oder Sicherheitspersonal oft nicht erreichbar, nicht hilfreich oder manchmal sogar Teil des Problems sind.
Weil es ein Unterschied ist, ob ich mich in der Lage fühle, mich zu schützen – oder ob ich das Gefühl habe, völlig ausgeliefert zu sein.
Selbstschutz bedeutet nicht, dass Gewalt immer eine adäquate Lösung ist. Es bedeutet nicht, Ziele mit Gewalt erreichen zu wollen.
Es bedeutet: Du holst dir die Möglichkeit zurück, aktiv zu handeln. Du bist nicht wehrlos.
Selbstschutz ist queer
Viele queere Menschen lernen früh, sich klein zu machen, um nicht aufzufallen. Den Blick zu senken. Situationen zu vermeiden.
Selbstschutz dreht das um:
Er gibt dir Werkzeuge, Raum einzunehmen. Laut zu sein. Grenzen zu setzen. Nicht aus Trotz. Sondern weil du es wert bist.
Dabei geht’s nicht nur um körperliche Techniken. Es geht um Haltung. Um das Bewusstsein: Ich darf mich schützen.
Ich darf laut „Nein“ sagen. Ich darf mich verteidigen. Ich darf Sicherheit einfordern – ohne mich zu rechtfertigen.
Ein kurzer Blick zurück: Stonewall
Selbstschutz und Widerstand haben in queeren Communities Geschichte.
In der Nacht vom 28. auf den 29. Juni 1969 wehrten sich in New York queere Menschen – angeführt von trans Frauen und queere People of Color – gegen eine brutale Razzia der Polizei in der Bar Stonewall Inn.
Was folgte, waren tagelange Proteste gegen staatliche Gewalt, Ausgrenzung und Diskriminierung.
Diese Nacht war der Startschuss für die moderne LGBTQIA+-Bewegung – und sie war alles andere als „friedlich“. Sie war mutig. Wütend. Notwendig.
Gewalt hat Zahlen
Laut dem deutschen Innenministerium wurden 2023 über
1.600 Straftaten mit queerfeindlichem Hintergrund registriert – Tendenz steigend.
Darunter waren mindestens
400 Fälle von körperlicher Gewalt.
Die Dunkelziffer liegt deutlich höher. Viele Betroffene zeigen Übergriffe nicht an – aus Angst vor Reaktionen, vor dem Outing oder weil sie kein Vertrauen in die Behörden haben.
Diese Zahlen sind kein Beweis für Überempfindlichkeit. Sie zeigen, warum Selbstschutz bitter nötig ist.
Selbstschutz ist kein Luxus – sondern Überlebensstrategie
Selbstschutz ist kein Ersatz für gesellschaftlichen Wandel. Aber er ist eine Überbrückung – bis wir dort sind.
Er macht uns nicht unverwundbar. Aber er gibt uns Handlungsspielraum.
Und vielleicht das Wichtigste:
Selbstschutz gibt uns ein Stück Kontrolle zurück - in einer Welt, die sie uns oft nehmen will.
🔗 Quellen & weitere Infos:
- Bundeslagebild „Hasskriminalität“ 2023 – Bundesinnenministerium (BMI):
PDF-Download des Factsheets - LSVD: Queerfeindliche Gewalt in Deutschland:
LSVD-Artikel mit aktuellen Zahlen - Wikipedia: Stonewall-Aufstand:
Wikipedia-Artikel zum Stonewall-Aufstand

